Update aus Togo

Es gibt wieder einmal ein Update aus dem fernen Togo. Pao befindet sich seit knapp einem dreiviertel Jahr dort:

„Ein würdiger Anlass für eine kurze Nachricht in die Heimat ist jetzt trotzdem gefunden. Heute (25.04.2015) ist nämlich ein besonderer Tag in Togo. Deutlich wurde mir das schon am Morgen, als ich vom Lärm in der Grundschule direkt gegenüber geweckt wurde. An einem Samstag? Und die Stimmen klingen auch viel tiefer als sonst, was ist denn da los? Präsidentschaftswahlen sind los. Die Schule ist heute ein Wahllokal.

Alle fünf Jahre wird in Togo gewählt, wobei das Wort „wählen“ vielleicht missverständlich klingt.
Zwar sind auf dem Wahlzettel die Gesichter von fünf Kandidaten verschiedener Parteien zu sehen, doch auf den unendlichen Werbeplakaten im ganzen Land ist fast immer nur das eine zu finden. Es hat sich mir mittlerweile eingebrannt wie kein zweites Gesicht, weil es mich seit zwei Wochen bei jedem Schritt verfolgt. Es schaut nicht nur von überdimensionalen Plakaten mit stumpfen Sprüchen auf mich herab, auch auf zahllosen T-Shirts, Regenschirmen und Mützen, die gratis verteilt wurden, blickt der immer selbe Anzugträger stolz Richtung Zukunft. Es ist das Gesicht von Faure Gnassingbé, dem Präsidenten, der 2005 seinen Vater als Staatschef abgelöst hat, welcher selber schon fast vierzig Jahre regiert hatte.
In allen großen und kleinen Städten fahren Autos mit Blaskapellen auf dem Dach herum, die Werbung für die Regierungspartei machen. Ganze Heerscharen an Motorradfahrern werden mit T-Shirts und Benzingeld ausgestattet, um dann freihändig, stehend oder auf ihrem Motorrad liegend durch die Straßen zu rasen, die Hupen durchgedrückt.
So wundert man sich, wo auf einmal das ganze Geld für diese aufwändige Wahlkampagne herkommt, das sonst immer an allen Ecken und Enden fehlt. Zum Beispiel um die Lehrer besser zu bezahlen, die seit Jahren regelmäßig streiken und die letzten zwei Monate praktisch gar nicht gearbeitet haben.

Viele Leute, mit denen ich geredet habe, haben genug von der „Demokratischen Dynastie“ in ihrem Land. Gerade in den großen Städten, wo die Leute viele Schulen, Zugang zu Internet und eine Universität haben, ist die Kritik an der Regierung groß. Auf den abgeschiedenen Dörfern hingegen, wo die Analphabetenquote hoch ist, hat es die regierende Partei UNIR leicht, die Leute mit schlichten Parolen, Musik und Geschenken zu überzeugen.
Besonders erschreckend ist für mich der blaue Zeigefinger, mit dem alle Wähler heute herumlaufen. Seine Stimme soll man nämlich nicht mit einem Kreuz, sondern mit einem Fingerabdruck auf dem Wahlschein abgeben. Dass bei der Registrierung vor der Wahl der Fingerabdruck aller Wähler überprüft wurde, scheint nur wenige nachdenklich zu machen. Die Reste von der hartnäckigen blauen Tinte am Finger unterscheidet heute Wähler von Nicht-Wählern.

Unter denen, die sich daran stören, gibt es auch einige, die bewusst nicht wählen gehen. Nicht nur, weil sie die ganze Wahl für undemokratisch halten, sondern auch, weil sie mit der Opposition unzufrieden sind und sich von ihr keine Besserung versprechen.
Die Wahlen vor zehn Jahren, als die Macht von Vater zu Sohn weiter gegeben wurde, hat einigen die Hoffnung genommen. Damals träumten sie vom großen Wandel, doch stattdessen kam die große Katastrophe. Nachdem Faure mit allzu undemokratischen Methoden gewählt worden war, brachen Proteste aus, die 100 Menschen das Leben kosteten, weil das Militär brutal zurück schlug.
Auch wenn es heute nach deutlich weniger brisanten Umständen aussieht, bleibt die nächste Woche ungewiss.

Trotzdem war es toll heute Vormittag die Stimmung in den Wahllokalen in meiner Umgebung zu spüren. Da war freundliches Miteinander und geduldiges Warten zu sehen. Freude und Hoffnung erfüllte die Schulhöfe. Ich neugieriger Weißer wurde ständig nett gefragt, ob ich ein offizieller Wahlbeobachter sei.

Die Wahlen sind allgegenwärtig. Sie bestimmen die Gespräche (Champions League ist jetzt ausnahmsweise mal zweitrangig) und natürlich die Nachrichten. An den orangen oder weißen T-Shirts der Motorradfahrer erkennt man, wo das Oppositionsviertel in Lomé anfängt und endet, meine kleinen Gastgeschwister rechnen mir vor, in wie vielen Jahren sie wählen dürfen und aus der Grundschule gegenüber schallen ab und zu aufgeregte Freudenrufe beim Auszählen der Stimmen.

Es grüßt euch,

der Pao“

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