Der Löberitzdoppler - Die Geschichte wiederholt sich: Projekt 18 gescheitert - Rede zur Lage des Vereins

Das ist unglaublich. Wenn man mal was ganz Wichtiges mitzuteilen hat, dann kommen die Nachrichtenagenturen, und die fangen dann an, irgendwelche unwichtigen Nachrichten aus Bananenrepubliken sinnlos aufzubauschen, nur damit man selbst nicht zu Wort kommt. Da war doch die einhellige Schlagzeile, dass in einem komischen Land, das man nur aus dem Fernsehen kennt, gewählt wurde. Und dass da einer gewonnen haben soll, dessen Name sich nur in einem Buchstaben von dem eines Terroristen unterscheidet. By the way, one question: Who is Barack Obama?

Wenn man das so liest und auch bei der vierunddreißigsten Wahlanalyse noch nicht eingeschlafen ist, dann kommt man auf komische Gedanken. Gut, ich gebe zu, berauschende Mittel in geringer Menge waren auch im Spiel. Da liest man also, dass der Gegenkandidat des Präsidenten der Bananenrepublik in spe, ein gewisser John McC. verloren habe, weil er vor allem jüngere Wähler nicht so gut habe ansprechen können wie sein Kontrahent. Und dann die Assoziation mit einem anderen, der mal versucht hat, junge Wähler gezielt anzusprechen. Der reformierte eine ernstzumehmende liberale Partei zu einer Karikatur ihrer selbst und benutzte dazu Einrichtungen wie das Guido-Spaßmobil, um damit im Big-Brother-Haus vorzufahren. Das alles, um das Projekt 18 zu verwirklichen.

Auf geht die Reise nach Löberitz

Wenn eine Spaßpartei schon versucht, die achtzehn Prozent zu erreichen, dann darf das ein Sportverein, der überdies ein ernstzunehmendes, Jahrhunderte altes Kulturgut namens Schach pflegt und mithin ein ziemlich konservativer Haufen ist, erst recht. Da bietet sich eine Umdeutung an. Denn wenn alle unsere Spieler 18 % holen, dann können wir im nächsten Jahr das ultimative Abstiegschessy herausgeben. Wenn sich denn dazu überhaupt ein Herausgeber finden würde ...

Nein, da bietet sich doch an, dass es in einer Staffel mit zehn Mannschaften neun Gegner zu verhauen sind. Und neun Gegner mal zwei Mannschaftspunkte ergibt die magischen 18. Und da ja jeder immer gewinnen will, sind die 18 nur das logische Ziel für eine Saison. Da im letzten Jahr schon drei Viertel unserer Mannschaften mit jeweils 17 Punkten aufgestiegen sind, war es ja von Vornherein nicht besonders wahrscheinlich, dass es so weiter geht und ein Team die achtzehn knackt. Aber dass bereits nach zwei Runden keine Mannschaft überhaupt mehr im Rennen ist, die 18 zu packen, ist schade. Dabei standen Personalsorgen (Vierte) ebenso im Weg wie wettbewerbsverzerrende Aufstellungen der Gegner (Zweite), etwas Pech (Erste) sowie ein Quäntchen Unvermögen einzelner Spieler (Dritte).

Auch in der Jugendbundesliga ist die 18 bereits mit der ersten Runde gefallen, auch die 16 sind nicht mehr möglich. Bemerkenswert, wie sich die Gründe wiederholen - Hier lag es auch an Unvermögen (erste Runde, und da zählt sich der Schreiber ausdrücklich mit ein) und Personalsorgen (zweite Runde). Und auch an den theorerisch noch möglichen 14 darf ernsthaft gezweifelt werden, denn dazu müssten sich wider Erwarten bei den nächsten Auswärtsspielen Unmengen an Spielern aufdrängen und ein Motivatopnsschub die Mannschaft durchdringen. Zumal das nächste Auswärtsspiel bei der SG 1871 Löberitz stattfindet.
 
Löberitz? Noch nie gehört. Aufsteiger aus Sachsen-Anhalt. Löberitz ist ein Ortsteil von Zörbig (Ach so?!) und liegt zwischen Bitterfeld und Köthen und hat ganze 1100 Einwohner. Manchen, dessen Welt vor 1990 noch in Rudow endete, hört man schon rufen: "Alles böhmische Dörfer!" oder "Am Ende der Erdscheibe, kurz vorm ewigen Meer!". Wobei dem nur bedingt zuzustimmen ist: Aus böhmischen Dörfern zum ewigen Meer fahren immerhin öffentliche Verkehrsmittel. Da es sich bei Löberitz in der Jugend um einen schlagbaren Gegner handelt, wäre uns ein Heimspiel ungleich lieber gewesen. Und weils so schön ist, werden wir gleich zweimal dem Ende der Erdscheibe in die Augen blicken dürfen. Denn die Auslosung zur Deutschen Pokal-Mannschafts-Meisterschaft ergab, dass wir in der ersten Runde gegen Löberitz spielen dürfen. Auswärts natürlich. Und da bieten sich interessante Rechenspielchen an: Wenn es ein Dorf von 1100 Einwohnern schafft, sowohl in der Jugendbundesliga als auch im Erwachsenenbereich in der Oberliga zu spielen und sich darüber hinaus für die Deutsche Pokalmeitscherschaft qualifizieren kann, dann muss da schon Substanz dahinterstecken. Und siehe da: Es sind 58 Mitglieder, davon eine Frauengroßmeisterin, eine Miss IM sowei ein Herren-FIDE-Meister. Beeindruckend:
Auf 366 Einwohner kommt ein Titelträger, über 0,5 % der Ortsbevölkerung sind Mitglieder des Schachvereins. Klingt nicht besonders beeindruckend, aber auf Spandau übertragen müssten wir 1168 Mitglieder haben. Das ist noch utopischer als das Projekt 18. Bezeichnenderweise ergibt die google-Suche nach Löberitz als ersten Eintrag den Schachverein und erst danach die Wikipedia-Erklärung. Ich kenne keine vergleichbaren Dörfer oder Städte, deswegen: Hut ab vor Löberitz!

Also: Löberitz wird wohl niemals Bundeshauptstadt werden, aber der Schachverein als Gegner ist ernst zu nehmen!

Nun gut, zurück zu 18. Da die 18 eine so schöne Zahl ist, ein paar weitere Fakten: Im letzten Jahr, als ich 18 war, habe ich meine Beitragsrückstände für 18 Monate gezahlt. Und mit ein bisschen Glück kommen zur nächsten Jahreshauptversammlung auch 18 Mitglieder. Soviele waren es zumindest 2006. Und ein Quantum Trost gibt es auch noch: Alle Mannschaften sind deutlich auf Kurs, 18 Brettpunkte zu schaffen :-)

Carsten Schirrmacher, 11.11.2008