2. Spieltag JBLNO 2007/2008: SSC Rostock - Zitadelle Spandau: 4 : 2

Das Leben der anderen

Manchmal fragt man sich ja, wie andere Menschen so durchs Leben kommen. Zum Beispiel jemand, der über die Herbstferien einen Berg Hausarbeiten aufbekommt, das aber erst zwei Tage vor Schulstart auffällt. Und da die Schule doch nicht so unwichtig ist, wie es einem bei der Betrachtung dieses Menschen erscheinen mag, kann der dann am Wochenende nicht Schach spielen.

Oder ein anderer, der am Donnerstag nicht weiß, was er am Samstag macht. Am Freitag fällt ihm dann ein, dass er am Freitagabend Schönwalde eine Feier zu begehen hat. Und dass er dementsprechend am Samstag nicht morgens antreten kann. Dagegen sind Ausreden, der Opa habe Geburtstag, noch harmlos. Mancher sagte gleich, er habe besseres zu tun und habe daher keine Lust. Und bei anderen wiederum wäre ein ganzer Tag auf Achse, bis an die Ostsee und wieder zurück, schlicht und einfach zu anstrengend.

Nach diesem Muster häuften sich also in der Woche vor dem Kampf beim SSC Rostock 07 die Absagen. Hinzu kam noch der eine oder andere Kranke, sodass es sich nur vier tapfere Zitajugendliche zum Gastspiel verirrten. Die machten es allerdings zum größten Teil auch nicht besser als die daheimgebliebenen Kollegen, die entweder feierten oder von Schularbeiten gemartert am Samstagabend völlig entkräftet ins Bett fielen.

Die vier entschlossen sich, die Mitte freizulassen und außenrum an den Brettern 1 und 2 sowie 5 und 6 um den Sieg zu kämpfen. An ersten Brettern waren wir nominell nicht unterlegen, hinten dagegen schon.

Und so sollte es dann auch im Ergebnis kommen: Während Raimond und der Schreiber dieses Berichts ihre Gegner besiegen konnten, häuften sich bei Maxim und Kian die Ungenauigkeiten. Wobei Maxim glücklich sein kann, dass der Gegner statt einer Figur in der Eröffnung nur einen Bauern mitnehmen wollte. So gab es noch einige Gegenchancen, und nachdem sich der Gegner nicht besonders glücklich aufstellte, war der Ausgleich nah, bevor Maxim dann abermals einen Bauern einstellte, wodurch die Partie dann endgültig entschieden war. Doch als dieser wackere Kämpfer die Waffen streckte, hatte auch sein Nebenmann am sechsten Brett schon verloren. Der hatte nämlich erschreckend schnell gespielt und dann im Endspiel die unglaubliche Zahl von sechs Bauern weniger.

So zeichnete sich die Niederlage recht schnell ab und dadurch durften Raimond und ich an den ersten Brettern einfach Schach spielen, ohne uns große Gedanken über das Ergebnis zu machen. Raimond gelang dabei ein überfallartiger Sieg, der allerdings von nicht nur einem schwachen Zug des Gegners begünstigt war. Und einer kämpfte noch viel länger. Ich hatte in der Eröffnung eine ausgeglichene Stellung für viel besser für mich gehalten und ging dann vermessen-optimistisch zu Werke, wodurch ich mir einen vernichtenden Angriff des Gegners einhandelte. Der Gegner spielte dann auch recht stark und opferte einen Turm, um seinen Angriff zu beschleunigen, was wohl auch korrekt war, mir jedoch die Hoffnung gab, die Partie zu gewinnen, wenn ich den Angriff abwehren konnte. Ich gewann auch an Zuversicht, nachdem der Gegner in seiner überlegenen Stellung in Zeitnot geriet und dann einige schwache Züge machte. Zwischendurch zeigte die Schachprothese schon einen Nachteil von sieben Bauerneinheiten an.

Am Ende wandelte die Partie sich von einem zivilisierten Schachspiel zu einem sinnlosen Zeitnotgehacke, aus dem ich mit einer Figur mehr kam und die Partie letztlich für mich entscheiden konnte. Zwischenzeitich sah die Stellung meines Königs nach einem explodierten Büro aus...

Aber auch hier war die Rückfahrt mal wieder das Lustigste am Auswärtskampf. Den Spaß ließen wir uns auch nicht vom verdienten 2:4 verhageln, denn wie gesagt, es gibt Wichtigeres im Leben, zum Beispiel Feiern oder Schularbeiten ...

Carsten Schirrmacher